Europäischer Gerichtshof legt Gutachten zu Freihandelsabkommen vor - EU kann bestimmte Regelungen nur gemeinsam mit den Mitgliedstaaten treffen

Die Freihandelsabkommen der „neuen Generation“ regeln nicht nur die direkt den Handel, den Warenaustausch incl. des Zollabbaus und das Erbringen von Dienstleistungen betreffenden Eckwerte, sondern vielmehr auch hiermit in Verbindung stehende Themen wie Direktinvestitionen und insbesondere die Art der Beilegung von Streitigkeiten. In seinem Gutachten vom 16.05.2017 hat der EUGH nunmehr verbindlich interpretiert, dass insbesondere für die beiden letztgenannten Punkte eine Zustimmung der Mitgliedstaaten erforderlich ist.


In seinem Gutachten widerspricht der EUGH eindeutig der bislang seitens der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments vertretenen Auffassung, dass diese europäischen Institutionen allein über den Abschluss von Freihandelsabkommen entscheiden können.

 

Wer erinnert sich nicht Ende 2016 an das Veto aus Belgien betreffend die Akzeptanz des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada? Bevor die EU das CETA-Agreement ihrerseits ratifizieren konnte, mussten alle 28 nationalen Parlamente der Mitgliedstaaten zustimmen. Im Zusammenhang mit CETA hat es funktioniert - aber streitig sind die ausverhandelten Abkommen EU-Singapur (seit 2013!), dass vielleicht doch noch einmal zustande kommende Abkommen TTIP zwischen der EU und den USA sowie die laufenden Verhandlungen zu einer Erneuerung des Freihandelsabkommens EU-Mexiko und die Gespräche EU-Japan.

 

Während in den „alten“ Freihandelsabkommen der Focus auf die primär den Handel betreffenden Themen wie Zollabbau nach Inkrafttreten mit dem Ziel des zollfreien Marktzugangs, dem Abbau nichttarifärer Handelshemmnisse (z. B. der Anerkennung von Normen etc.) oder der Dienstleistungsfreiheit lag, rücken in den „neuen“ Vereinbarungen Aspekte wie der Schutz des geistigen Eigentums, der Investitionen, der öffentlichen Beschaffung, des Wettbewerbs und der nachhaltigen Entwicklung in den Blickwinkel der Vereinbarung(en). Der größte Streitpunkt zwischen der EU und den Mitgliedstaaten liegt aber in der Form der Beilegung von Streitigkeiten - anstatt durch die ordentliche Gerichtsbarkeit u. a. durch Schiedsgerichte, auf Druck der Vertragspartner teilweise ohne weitere Rechtsmittelmöglichkeiten - und betrifft die ausländischen Direktinvestitionen.

 

Angesichts dieser Ausführungen hat der EUGH in seinem Gutachten festgestellt, dass das Freihandelsabkommen (FTA) mit Singapur in dieser Form seitens der EU allein nicht hätte geschlossen werden dürfen!

 

Abschließend bleibt daher festzustellen, dass die EU ihre handelspolitischen Verantwortlichkeiten neu strukturieren muss - wegweisend für zukünftig zu schließende und gleichsam alle noch in den Verhandlungen befindlichen FTA´s. In jedem Fall wird sich dieses Gerangel um die Zuständigkeiten auf den zeitlichen Ablauf solcher Verhandlungen auswirken!


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